Hotel Füchslin: ein legendärer Treffpunkt:
Diese Aufnahme von 1959 zeigt: Wer heute vom Brunnen zum Coop läuft, wandelt quasi durch den prächtigen Garten des ehemaligen Hotel Füchslin (Pfeil links).
Das Gebäude, zunächst Fuhrhalterei, erwarb der Koch Heinrich Füchslin 1877 von Fuhrhalter Emil Rauber (zwei Jahre zuvor stand es noch im Windischer Gemeindebann). 1910 wurde es zu einem Hotel mit Saalbau erweitert, Kegelbahn und Tennisplatz (im Winter als Eisbahn genutzt) kamen hinzu. 1950 übernahmen Suzanne und Hansruedi Füchslin den Betrieb. Sie  Sie verstanden es, wie Titus Meier in einem Zeitungsbericht schilderte, mit ihrer Gastfreundschaft und einer guten Küche das Füchslin zu einem legendären Treffpunkt zu machen. Legendär wurde auch das hier beschriebene Bild. Aus gesundheitlichen Gründen gaben sie den Betrieb 1968 auf. Ein Pächter führte ihn noch vier Jahre weiter,1974 erfolgte der Abbruch der Liegenschaft, die dem Neumarkt II weichen musste. Der Neumarkt I mit der Migros, 1976 fertiggestellt, steht heute auf der Wiese gegenüber dem Füchslin (Pfeil rechts).

Es gibt in der Tierwelt tatsächlich einen Vogel namens Kuhvogel. Wie dem Lexikon zu entnehmen ist, gehört er zur Gattung der Sperlingsvögel, lebt in Nordamerika auf dem Rücken von weidendem Vieh und befreit es von Schmarotzern. Seine Eier legt er wie der Kuckuck in fremde Nester und lässt es von andern Vögeln ausbrüten und aufziehen.
Der Kuhvogel gleicht aber in keiner Weise dem dargestellten «Brugger Kuhvogel», sondern eher einer Krähe. Welche Bewandtnis hat es also mit dieser Postkarten-Darstellung?

Das Werk eines Patienten
Der Brugger Historiker Titus Meier und ein Mitglied der Füchslin-Familie konnten mir Auskunft geben. Die Postkarte ist ein Abbild eines grossen Bildes, das ein an Schizophrenie leidender Patient der Klinik Königsfelden, damals Irrenanstalt genannt, in den 20er-Jahren gemalt hatte.
Er war politisch sehr interessiert, verfolgte auch das Wirken des Brugger Bundesrates Edmund Schulthess (1912 bis 1935 im Amt, führte 19 Jahre lang das Volkswirtschaftsdepartement) – und kam aus heute nicht erklärbaren Gründen zum Schluss, dass dieser Bundesrat furchtbar wirke. Worauf er ihn auf seiner Karikatur in ein Kuhvogel-Ungeheuer verwandelte. Als Erkennungszeichen, dass er Schulthess meinte, versah er den Kuhkopf mit zwei typischen Schulthess-Attributen: einer Zwickerbrille und einem Stehkragen… Zeichnerisch war der Patient offensichtlich recht begabt. Das Bild dürfte in den 20er-Jahren entstanden sein.

Vom Bild zur Postkarte
Man nimmt an, dass ein Königsfelder Psychiater oder Arzt, der ab und zu im Restaurant Füchslin verkehrte, das Bild einmal mitnahm und den Gästen schmunzelnd zeigte, worauf der spontane Entschluss reifte, es im Restaurant zur Erheiterung der Gäste aufzuhängen. So gelangte es in den Besitz der Wirtsleute Füchslin. Das Bild fand in der Folge enorme Beachtung und rege Nachfrage, sodass eine Kopie als Postkarte angefertigt und verkauft wurde. Und so «landete» sie auch in der erwähnten Bibliothek in Aarau.
Wie uns die Tochter des Wirtepaares Füchslin verriet, hing das Bild lange Zeit und bis zum Schluss in der Kegelbahn des Hotels, und als Mädchen hatte sie immer Angst, wenn sie das Ungeheuer  sah. Nach der Betriebsaufgabe und dem Abbruch der Liegenschaft wurde das Bild offenbar als Leihgabe der Stadt übergeben. Wo es sich heute befindet, weiss niemand der von uns Befragten. Es befindet sich auch nicht in der Sammlung der Patientenarbeiten der Klinik. Aber vielleicht führt dieser Artikel auf eine Spur – oder gar zum Original des «einzig wahren und echten Brugger Kuhvogels»… Das «einzig wahre und echte Denkmal» bekam Bundesrat Schulthess als Büste in der Schulthessallee.